Eine
Gruselgeschichte von Marc Dean, 13 und Moritz W. Haus
2009/2020
Tim stand
neben seinem geöffneten Fenster und spähte ungeduldig auf die mit
Kopfsteinpflaster belegte Gasse hinunter.
Er vermied es,
direkt vor sein Fenster zu treten, hatte er doch am Vorabend eine unheimliche
Entdeckung gemacht, die ihm regelrecht Angst eingejagt hatte. Etwas, das nicht
sein konnte, ja nicht sein durfte.
Endlich
hörte er ein klapperndes Geräusch, das zweifellos nur zu dem Fahrrad seines
besten Freundes Marc gehörte.
Schnell
steckte er seinen Kopf aus dem Fenster, winkte ihm zu und rief: „Los, beeile
dich doch mal!“
Dann stürzte
er aus seinem Zimmer, hetzte die alte Treppe hinunter und riss die Haustüre
auf. Er packte Marc etwas unsanft am Ärmel und zog ihn rasch ins Haus hinein.
„Sag mal,
hast du sie noch alle? Schon am Telefon hast du so komisch geklungen und...“
„Warte.“,
unterbrach ihn Tim grob, „Ich muss dir erst etwas Unglaubliches zeigen. - Los
komm schon mit!“
Ratlos
folgte ihm Marc in die Küche, die gleich links vom Flur lag.
Tim blieb
vor dem kleinen Küchenfenster stehen, sah seinen Freund mit ernster Miene an
und sagte dann: „Ich möchte, dass du dir das Haus gegenüber einmal genau an
siehst!“
„Du meinst
das alte Mörderhaus?“
Tim nickte nur stumm und Marc tat ihm den
Gefallen.
Viele
Gerüchte und Geschichten rankten sich um dieses Haus, das eins der ältesten
Häuser der Stadt war.
Seit mehr
als 50 Jahren hatte dort niemand mehr gewohnt und keiner wusste so recht, wem
das baufällige Fachwerkhaus eigentlich gehörte. Nur, dass es ein sehr düsteres
Geheimnis barg, glaubten alle zu wissen.
Jetzt
schaute Marc auf die herunter gekommene Fassade des Hauses.
Die alte
Holztür, die man über drei Steinstufen erreichen konnte, war von der
Stadtverwaltung mit Brettern vernagelt worden, weil gelegentlich ein paar
waghalsige Jugendliche dieses Haus als Party-Treffpunkt genutzt hatten.
Links und
rechts von dieser verbarrikadierten Tür befanden sich jeweils zwei kleine
Fenster, deren Glasscheiben allesamt zerbrochen waren. An den Holzrahmen konnte
man nur noch mit viel Fantasie die ursprüngliche Farbe der Fenster erkennen.
Marcs Blick
schweifte nun ein Stockwerk höher hinauf. Die dortigen vier Fenster hatten
alle, bis auf eines, noch intakte Glasscheiben, die aber so verschmutzt waren,
dass man nicht hindurch sehen konnte.
Bisher hatte
er aber noch nichts Außergewöhnliches entdecken können. Doch als er zum
Dachgeschoss des Hauses blickte, stutzte er. „Was zum Teufel ist…“
„Kannst du
es sehen?“, unterbrach ihn Tim aufgeregt.
„Ja, ich
denke schon. Da ist ein nagelneues Fenster. Ist da denn etwa jemand
eingezogen?“
Tim stellte
eine Gegenfrage: „Durch eine zugenagelte Tür?“
Marc schwieg
eine Weile und sagte dann: „Du hast recht, da stimmt etwas nicht.
Niemand
setzt ein einzelnes neues Fenster in so eine alte Bruchbude wie der dort drüben
ein. Und außerdem, wie sind die Handwerker dort hinein gelangt? Die Haustür ist
genauso zugenagelt wie immer!“
„Warte erst
mal, bis ich dir den gruseligen Teil erzählt habe. Komm, wir gehen hoch in mein
Zimmer!“
Wortlos
folgte Marc seinem Freund die knarrende Holztreppe hinauf in sein Zimmer.
Sofort
bemerkte er, dass Tim seine Möbel umgestellt hatte. Der Computer-Schreibtisch
stand jetzt direkt neben dem Fenster, durch das man das neue Fenster im Haus
gegenüber genau sehen konnte. Dessen Glas war nicht durchsichtig sondern sah
eher wie gelbes Milchglas aus.
Tim zog
rasch die Vorhänge zu und sagte dann: „Du kennst mich gut und weißt, dass ich
manchmal Geschichten erzähle, die nicht wahr sind. Einfach so aus Fun. Doch was
ich dir jetzt erzählen werde, ist absolut wahr. Kein Wort davon ist gelogen und
wenn du es erst selber gesehen hast…,“
Tim
schluckte und fing dann zu zittern an. Besorgt legte Marc seinen Arm um Tims
Schulter und fragte gespannt: „Was soll ich sehen?“
„Ich bin
froh, dass du heute Nacht bei mir schläfst, ich hab sowas von schiss.“
„Verdammt
Tim, was ist es. Hast du dort drüben im Fenster etwas Schlimmes gesehen?“
Tim nickte
und erzählte, erst stockend und dann immer aufgeregter sein gestriges Erlebnis.
„Ich saß
gestern Abend an meinem Schreibtisch und zockte am PC ein Spiel, als ich
plötzlich etwas Eisiges in meinem Rücken verspürte. Es war so, als würden
eiskalte Hände nach mir greifen. Entsetzt sprang ich auf und dann sah ich es,
das neue Fenster.
Glaub mir,
keine zehn Minuten vorher war es noch nicht da gewesen. Ich weiß es deshalb so
genau, weil ich noch aus dem Fenster geschaut hatte, bevor ich meinen PC
einschaltete.
Also, ich sehe
dieses neue Fenster und konnte es irgendwie nicht fassen.
Diese
merkwürdigen gelblichen Glasscheiben fand ich unheimlich. Und obwohl ich
niemanden sehen konnte, fühlte ich mich beobachtet und schaltete deshalb mein
Licht aus. Und genau in diesem Augenblick ging drüben hinter dem neuen Fenster
das Licht an!“
Hier
unterbrach ihn Marc: „Das war sicher nur ein Zufall!“
„Nein, kein
Zufall. – Ich machte mein Licht sofort wieder an und in derselben Sekunde
erlosch es drüben. Dreimal wiederholte ich das und beim dritten Mal sah ich
diese unheimliche Gestalt. Es war wie in einem Schattenspiel.“
Wieder
begann Tim am ganzen Körper zu zittern und Marc flüsterte: „Weiter, du musst
mir alles erzählen. Was war das für ein Schattenspiel?“
„Ein
Stuhl.“, flüsterte Tim jetzt ebenfalls. „Da stand ein Stuhl und die schwarze
Gestalt stieg auf ihn hinauf. Von der Decke hing eine Schlinge und bevor ich
begreifen konnte, was ich da eigentlich sah, baumelte der unheimliche Schatten
auch schon zuckend an diesem Seil. Entsetzt machte ich mein Licht wieder an und
rannte dann so schnell ich konnte aus meinem Zimmer.“
Tim sah mit
bleichem Gesicht seinen Freund an, der ihn ungläubig anstarrte. Endlich fand er
seine Worte wieder und sagte: „Das hört sich wirklich alles nach einem Gruselschocker
an. Ich weiß wirklich nicht, ob ich dir das alles glauben soll!“
Tim stand
auf, ging zu dem Lichtschalter und schaltete das Licht an. Dann sagte er leise
und eindringlich: „Draußen wird es gleich dunkel sein. Öffne die Vorhänge und
dann schalte das Licht aus. Glaube mir, wenn der Unheimliche dort drüben noch
an seinem Seil baumelt, wirst du mir glauben müssen!“
Entschlossen
öffnete Marc die Vorhänge und schaltete dann das Licht aus.
Gebannt
sahen beide hinüber zu dem Fenster, doch nichts geschah. Es gab kein Licht und
kein Schattenspiel.
„Tim?“,
flüsterte Marc fragend.
„Warte, ich
habe dich echt nicht angelogen. Gestern gab es dort wirklich ein
Schattenspiel!“
„Vielleicht
hast du das alles auch nur geträumt.“
„Aber das Fenster,
wie soll das deiner Meinung nach dort drüben rein gekommen...“
Er konnte
seinen Satz nicht mehr zu Ende sprechen, denn plötzlich ging in dem anderen
Haus das Licht an.
Tim zuckte
entsetzt zusammen und hielt sich mit beiden Händen die Augen zu.
Marc starrte
zum Fenster hinüber und blickte gebannt auf das, was er dort sah. Dann
flüsterte er leise: „Los, Tim, mach deine Augen auf. Ich glaube, du hast
recht.“
Tim öffnete
vorsichtig seine Augen und riskierte einen Blick. Leise schrie er auf: „Da,
siehst du das Seil?“
„Ja, aber
dein baumelnder Freund hängt nicht mehr dran.“
Tatsächlich
konnten beide nur den Schatten einer Schlinge hinter den gelblichen Scheiben
erkennen, die langsam hin und her schwang.
Plötzlich
huschte ein düsterer Schatten durch das Fenster und beide zuckten vor Schreck
heftig zusammen.
Tim rannte
zum Lichtschalter, doch zu seinem Entsetzen funktionierte dieser nicht mehr.
In seinem
Zimmer blieb es dunkel. Er geriet in Panik und wollte aus dem Zimmer laufen,
doch die Türe war verschlossen.
Gehetzt
drehte er sich zu seinem Freund um, der immer noch wie gelähmt da stand und zu
dem Fenster hinüber starrte.
„Beruhige
dich mal wieder.“, sagte Marc sichtlich angespannt.
„Ich soll
mich beruhigen?“, schrie Tim entsetzt, „Gestern hat sich dort drüben einer
aufgehängt und jetzt ist die Leiche verschwunden. Mein Licht ist kaputt und
jemand hat uns in meinem Zimmer eingesperrt. Und da sagst du mir, ich soll
ruhig bleiben?“
Marc gab ihm
darauf keine Antwort und deutete stattdessen zum Fenster hinüber. Langsam
drehte Tim seinen Kopf und starrte nun ebenfalls hinüber, wo jetzt etwas
Unheimliches geschah.
Der Schatten
war stehen geblieben und jetzt öffnete dieser langsam das Fenster.
In Tims
Zimmer wurde es plötzlich eisig kalt, so dass beide Jungen jetzt schlotternd
vor Kälte zusahen, wie der Schatten langsam sichtbar wurde.
Es war eine
große, unheimlich und mystisch wirkende Gestalt, die dort jetzt am Fenster
stand und mit unheimlichen Augen zu ihnen hinüber starrte. Trotz des diffusen
Lichtes, das inzwischen draußen herrschte, konnte man gut erkennen, dass der
unheimliche Unbekannte eine schwarze Kutte trug.
Tim
flüsterte entsetzt: „Das da drüben muss der Geist vom Säbel-Mönch sein!“
„Säbel was?
- Was für ein Mönch?“, erkundigte sich Marc, doch bevor Tim ihm darauf
antworten konnte, öffnete der Kuttenmönch seine schmalen, blutleeren Lippen und
sagte mit einer grausigen Stimme: „Oh ja, ihr Bürschlein, das habt ihr sehr gut
erkannt. Ich bin es, der Säbelmönch. Und wenn ihr beide mir nicht bis
Mitternacht meinen Säbel zurück gebracht habt, werde ich euch wohl besuchen
müssen und euch dann spüren lassen, was es heißt einen Geist zu bestehlen!“
Obwohl das
Fenster in Tims Zimmer geschlossen war, waren die Worte des Mönchgeistes klar
und deutlich zu vernehmen. Es war fast so, als würde der Mönch direkt vor den
beiden Jungen stehen.
Entsetzt und
starr vor Angst hatten beide den Worten der unheimlichen Kuttengestalt
gelauscht.
Der Fremde
schwieg jetzt, stand aber immer noch irgendwie abwartend und reglos am geöffnetem
Fenster auf der anderen Straßenseite.
Schließlich
stotterte Tim: „Aber wir haben deinen Säbel nicht gestohlen, glaub mir!“
Und Marc
fügte hinzu: „Ja genau, so ist es. Ich wusste bis heute noch nicht einmal, dass
es früher hier im Ort einen Säbelmönch gegeben hat, ehrlich!“
Statt einer
Antwort ertönte jetzt ein garstiges Gelächter, das schaurig zu ihnen herüber
schallte.
Deutlich
konnten die Freunde sehen, wie der Säbelmönch sich förmlich vor Lachen bog.
Endlich
beruhigte sich der Geist des Mönches wieder und sagte dann mit scheppernder
Stimme: „Ja, Marc, ich glaube dir jedes einzelne Wort. Du hast mir meinen Säbel
tatsächlich nicht gestohlen. Aber Tims Urgroßvater hat es getan. Jawohl das hat
er. Und deshalb wird Tim mir meinen Säbel wieder bringen müssen und du wirst
ihm dabei helfen!“
„Und wenn
nicht?“, erkundigte sich Marc mutig.
„Dann werde
ihr beide für die Schandtaten von Tims Urgroßvater bezahlen müssen. Ihr werdet
mit in mein Höllenkloster kommen und mir dort bis zur Unendlichkeit und noch
viel länger dienen müssen!“
Wieder
erklang ein boshaftes Gelächter und dann, von einer Sekunde auf die andere, war
der Spuk wieder vorbei. Das Fenster im anderen Haus gegenüber war geschlossen,
das Licht erloschen und der unheimliche Mönch spurlos verschwunden.
Wie betäubt
schwiegen die Jungen eine Weile. Zu sehr standen sie noch unter dem Eindruck
der Ereignisse. Schließlich schaute Marc auf seine Armbanduhr, sprang dann auf und rief aufgeregt: „Ach du Scheiße,
es ist schon 21:00 Uhr und um Mitternacht will dein unheimlicher Kuttenmönch
seinen Säbel wieder haben und...“
Erbost
fauchte Tim: „Es ist aber nicht mein Kuttenmönch!“
„Sorry,
schon gut.“, entschuldigte sich Marc und dann sagte er: „Ich glaube, du
solltest mir alles erzählen, was du über diesen Mönch weißt. Kannst du das?“
Tim blickte
ihn leicht entsetzt an, doch dann flüsterte er: „Vor zwei Jahren, als mein
Großvater starb, gehörte uns diese Haus noch nicht. Hier in diesem Zimmer – es
war...“
Tim
schluckte und Marc nahm die Hände seines Freundes und drückte sie sanft und
sagte eindringlich: „Los, Tim, weiter. Was geschah damals hier in diesen
Zimmer!“
Wieder
schluckte Tim und erzählte dann weiter.
„Das hier
war früher das Schlafzimmer von meinem Großvater und hier in diesem Raum ist er
auch gestorben. Doch bevor er starb, erzählte er mir eine Geschichte, die ich
eigentlich schon vergessen hatte. Zu schrecklich war das, was er mir erzählte.
Ich dachte
damals, das er Fieber hatte und nur fantasierte. – Na
ja, wenigstens bis heute dachte ich das. Es muss wohl doch eine wahre
Geschichte gewesen sein!“
„Und was war
das für eine Geschichte?“, wollte Marc gespannt wissen.
„Er hat mir
von seinem bösen Vater erzählt und...“
Marc
unterbrach ihm: „Also von deinem Urgroßvater, von dem der Kuttenmönch
gesprochen hat?“
„Ja genau.
Er erzählte mir, dass sein Vater einen Säbel gestohlen hat. Er fantasierte von
Geistern und einem unheimlichen Fluch, der über unsere Familie ausgesprochen
worden war!“
„Und was war
das für ein Fluch?“, wollte Marc wissen.
„Nun ich
sagte dir ja schon, dass mein Großvater damals im Sterben lag und er kaum noch
bei Sinnen war, als er mir das alles erzählte. Aber er sprach davon, dass sein
Vater nach dem Diebstahl des Säbels Nacht für Nacht schlimme Träume hatte.
Träume von einer dunklen Gestalt, die er am Ende auch am Tag überall zu sehen
glaubte. Schließlich verlor er den Verstand und brachte sich um.“, beendete Tim
seine Erzählung.
„Wenn das so
gewesen war, wie du es mir gerade erzählt hast, dann war dein Urgroßvater nicht
nur ein gemeiner Dieb, sondern auch ein Mörder!“, entfuhr es Marc entsetzt.
„Er hat
wahrscheinlich mit dem gestohlenen Säbel gleich noch den Besitzer erdolcht. –
Mein Gott, Tim, das hört sich ja alles abscheulich an!“
Tim nickte
nur und sagte dann: „Als mein Großvater mir dann die Geschichte zu Ende erzählt
hatte, erstarrte er plötzlich, schloss seine Augen und starb.“
Marc huschte
jetzt zur Tür und versuchte diese zu öffnen. Zu seinem Erstaunen war sie nicht
mehr verschlossen. Tim war immer noch bleich im Gesicht und starr vor Angst.
„Komm schon,
Tim, wir haben nicht mehr viel Zeit.“, drängte Marc.
Nur langsam
setzte sich Tim in Bewegung und folgte seinem Freund aus dem Zimmer hinaus. Im
Haus war es stockdunkel und die Treppe quietschte fürchterlich, als sie diese
leise hinunter schlichen.
„Wir werden
uns mal in deinem Keller etwas umsehen.“, flüsterte Marc.
Doch Tim war
gar nicht erfreut über diese Idee.
„In den
Keller? - Spinnst du. Dort ist schon seit mindestens zehn Jahren niemand mehr
drinnen gewesen. Ich gehe dort bestimmt nicht hinein!“
Doch da
standen beide schon vor einer steinigen Kellertür. Auf ihr hatte ein
Unbekannter einen großen Totenkopf eingeritzt, der sie teuflisch anzugrinsen
schien.
Tim verzog
angewidert sein Gesicht, doch Marc zeigte keinerlei Angst.
Mutig legte
er seine Hand auf den verrosteten Türgriff und drückte diesen schnell nach
unten. Dann lehnte er sich mit seinem ganzen Körpergewicht gegen die schwere
Türe und drückte sie so langsam auf.
Er schlüpfte
in den dunklen Raum, der dahinter lag und fragte sich dabei, wieso jemand in
seinem Keller eine Tür aus Stein eingebaut haben mochte.
Da Tim nicht
alleine neben der nun geöffneten Kellertür verweilen mochte, folgte er zögernd
seinem Freund in die Dunkelheit.
Sofort
wurden beide von einer eisigen Kälte umhüllt. Es stank bestialisch nach
gammeligem Fisch und faulen Eiern und etwas, das nur der Geruch des Todes sein
konnte.
„Igitt.“,
stöhnte Tim und würgte.
„Gibt’s hier
irgendwo einen Lichtschalter?“, erkundigte sich Marc, dem der Geruch nichts
auszumachen schien.
„Das weiß
ich doch nicht.“, gab Tim etwas bockig zurück, dem dieser Ausflug in den
unheimlichen Keller seines Hauses überhaupt nicht gefiel.
Nur langsam
gewöhnten sich ihre Augen an die hier unten herrschende Dunkelheit.
Das
spärliche Licht, das durch die noch halb geöffnete Kellertüre hereinfiel,
reichte aber aus, um wenigstens etwas sehen zu können.
Überall
standen alte Möbel und merkwürdige Skulpturen herum, die ziemlich unheimlich
waren.
Plötzlich und
aus dem Nichts heraus erschallte ein lautes Dröhnen in ihren Köpfen.
Entsetzt
hielten sie sich ihre Ohren zu und taumelten vor Angst unkontrolliert durch den
muffigen Keller.
Das ganze
dauerte vielleicht eine Minute, bevor es wieder still wurde. Benommen ließen
sich die Freunde auf zwei alten Stühlen nieder und versuchten ihre Gedanken zu
sortieren.
Endlich fand
Marc als Erster seine Worte wieder.
Mit
zittriger Stimme hauchte er: „Was zum Teufel war denn das?“
Tim
schüttelte ratlos seinen Kopf und sagte: „Also für mich hat es sich angehört
wie eine große, alte Kirchenglocke!“
„Aber siehst
du hier unten irgendwo so etwas, wie eine Glocke!“, ereiferte sich Marc, der
jetzt in der unheimlichen Dämmerung nach der Kellertüre suchte, durch die sie
herein gekommen waren.
Tim zog es
vor zu schweigen und folgte seinem Freund durch die Dunkelheit. Endlich blieb
Marc stehen und zischte: „Da ist sie ja, unsere Tür. Aber...“
„Was aber?“,
wollte Tim wissen und drückte sich an seinem Freund vorbei, um zu sehen was los
war.
„Das ist
eine andere Tür, siehst du? Diese hier ist aus verrostetem Eisen, doch unsere
Kellertür bestand aus einer Steinplatte!“
Tim packte
seinen Freund, bevor er nach dem rostigen Türgriff greifen konnte und fauchte:
„Stopp! – Wir sollten uns erst einmal von oben meine Taschenlampe holen. Es
macht wenig Sinn hier weiter in der Dunkelheit herum zu tapsen!“
Nur
widerwillig ließ sich Marc darauf ein, aber Tim hatte recht.
Die Zeit
lief ihnen davon und da konnte eine Lampe bei der Suche nach dem verschwundenen
Säbel sicher nicht schaden.
Eine
Viertelstunde später standen sie erneut in dem Keller und Tim leuchtete auf den
verrosteten Griff der Eisentür, die ursprünglich wohl einmal rot gestrichen
worden war. Doch von der Farbe war kaum noch etwas erkennbar.
„Na mach
schon, Marc, öffne sie endlich.“, drängte Tim, der sich gespannt hinter seinen
Freund duckte.
Marc legte
seine Hand, die vor Aufregung zitterte, auf den Griff und drückte ihn langsam
herunter.
Eigentlich
hatte er erwartet, dass das Schloss verschlossen oder gar eingerostet war, doch
zu seiner Überraschung sprang die Tür ohne Widerstand auf und schwang laut
knarrend auf.
Im Strahl
von Tims Taschenlampe sahen sie vor sich einen schmalen Gang, der alles andere
als normal aussah. Irgendjemand schien ihn einfach so durch die Erde gegraben
zu haben. Nur ein paar Stützbalken schienen zu verhindern, dass der Gang in
sich zusammen brechen konnte.
„Ein
Tunnel.“, flüsterte Marc entgeistert.
„Und ich denke
ich weiß, wo er enden wird.“, entgegnete ihm Tim, der jetzt vorsichtig in den
Tunnel trat.
„Du meinst,
er führt zu dem Haus gegenüber?“
„Darauf
kannst du einen lassen!“
Marc
kicherte albern, folgte aber jetzt seinem Freund, der sich vorsichtig an den
zum Teil recht morschen Stützbalken vorbei bewegte. Nur kurze Zeit später
standen sie vor einer weiteren Türe, die jedoch aus Holz war und offensichtlich
nur lose in den Angeln hing.
„Mach sofort
deine Taschenlampe aus.“, zischte Marc von hinten. Dann schob er sich rasch an
seinem Freund vorbei und spähte durch den Türspalt, durch den ein flackerndes
Licht in die Dunkelheit des Tunnels zu ihnen drang.
„Was siehst
du da?“, flüsterte Tim aufgeregt.
„Oh, mein
Gott....“
„Was ist,
los sag schon?“, drängte Tim, doch Marc trat zurück und sagte mit zittriger
Stimme: „Ich glaube, da steht ein Sarg..., und eine Kerze steht auf ihm und...“
„Und was?“,
fragte Tim ungläubig.
„Schau es
dir doch selber an, verdammt noch mal!“, kreischte Marc wie von Sinnen.
In Marcs
Schreien hinein ertönte jetzt ein unheimliches Knarren und Knacksen, das von
der maroden Holztür vor ihnen ausging.
Gerade noch
in letzter Sekunde konnten die Jungen zurück springen, bevor die alte Tür in
den Tunnel hinein krachte und eine mächtige Staubwolke aus Schutt und alten
Holzspänen aufwirbelte.
Geschockt
konnten beide jetzt durch die staubige Luft die Kerze erkennen, die heftig
durch den entstanden Luftzug zu flackern begonnen hatte und schließlich
erlosch.
Rasch
schaltete Tim seine Taschenlampe wieder ein und hustend keuchte er: „Wir wären
fast von dieser Türe erschlagen worden, verdammt. Mir reicht es jetzt wirklich.
Ich will hier weg!“
Doch bevor
Marc darauf antworten konnte, ertönte eine unheimliche Stimme aus dem
verschlossenen Sarg heraus: „Das will ich auch.
Ich will auch weg von hier, doch ein Fluch hält mich schon seit ewigen
Zeiten hier unten gefangen!“
Die Jungen
kreischten vor Entsetzen auf.
Unfähig sich
zu bewegen, mussten sie jetzt mit Grausen ansehen, wie der Sargdeckel sich
knirschend öffnete und ein in Lumpen gehülltes Skelett sich langsam mit
knacksenden Knochen aufrichtete und sie mit leeren Augenhöhlen an starrte.
Endlich fand
Marc seine Worte wieder und fragte angewidert: „Wer bist du denn. Das ist doch
sicher nur ein Scherz, oder?“
Das Skelett
grinste breit über seinen bleichen Schädel und sprang dann plötzlich so
unverhofft und schnell aus seinem Sarg heraus, dass beide Jungen erneut vor
Entsetzen aufschrien.
Das Gerippe
meldete sich erneut zu Wort und sagte in einem gehässigen Tonfall: „Ich weiß,
wer ihr seid. Ihr seid Grabräuber und wollt mich bestehlen. Mich den Meister
der Diebe und Besitzer des...“
„Säbels!“,
unterbrach ihn Tim immer noch schreiend, aber diesmal nicht vor Angst, sondern
vor Wut. Blitzschnell hatte er erkannt, wer da vor ihnen stand.
Es war sein
eigener Urgroßvater, jener Mann, dem sie die Schrecken der letzten Stunden zu
verdanken hatten. Ein Blick zu Marc hinüber verriet ihm, dass er diese Tatsache
ebenfalls erkannt hatte.
Tims
innerliche Wut verdrängte seine Angst nun fast vollständig.
Mutig ging
er auf seinen Untoten Urgroßvater zu und schrie: „Du widerst mich an, du
stinkender Knochenhaufen und ja, du hast recht. Wir sind Grabräuber und werden
uns holen, was du damals dem Mönch geraubt hast!“
Das Skelett
wich einen Schritt zurück, stolperte und stürzte dann scheppernd zu Boden.
Der Schädel
kullerte direkt vor Marcs Füßen und blieb dort garstig lachend liegen. „Ha, hahahaaarrr, niemals werden ihr den Säbel finden, ihr
armseligen Würstchen, ihr Hosenscheißer, ihr Bettnässer, HAHAHaaar...“
Tim schrie
seinem Freund zu: „Bringe dieses Scheusal endlich zum Schweigen!“
Ohne weiter
zu überlegen, trat Marc mit voller Wucht gegen den Schädel, so dass dieser vom
Boden abhob, über den noch immer geöffneten Sarg hinweg flog und dann krachend
an der Kellerwand dahinter in unendlich viele kleine Knochensplitter zersprang.
„Wow. - Das
hat aber gesessen.“, stellte Tim fest.
„Ok, jetzt
aber ist Eile angesagt. Wir müssen diesen Säbel schnellstens finden, bevor sich
unser Freund wieder zusammen setzen kann. Jedenfalls bin ich sicher, dass
er...“
„Mein Gott,
wie recht du hast!“, kreischte Tim entsetzt, der auf den Knochenhaufen
leuchtete.
Tatsächlich
war Bewegung in die bleichen Knochen gekommen. Stück für Stück setzte sich das
Skelett wieder zusammen.
Marc rannte
zu dem Sarg und schaute hinein. Er würgte angewidert, als er die fetten Maden
sah, die mit ihren bleichen Leibern den ganzen Sargboden mit einer dicken
Schicht bedeckten.
Beherzt
tauchte er seine Hand in das schleimige Maden-Gewusel hinein und tastete den
Boden ab.
Irgendetwas
sagte ihm, dass der verschwundene Säbel nur in diesem Sarg liegen konnte.
Einige Maden schickten sich an, Marcs Arm hinauf zu kriechen.
Entsetzt
wollte er gerade seinen Arm wieder aus dem Sarg heraus ziehen, als er endlich
etwas zu fassen bekam. Triumphierend zog er den Säbel aus den stinkenden Maden
heraus.
Rasch
schüttelte er die Maden ab, die es schon bis zu seinem Ellbogen hinauf
geschafft hatten. Mit seinen Schuhen zertrat er die ekligen Untiere.
Das
Geräusch, das dabei entstand, erinnerte entfernt an platzendes Popcorn. Der
Geruch, der von dem Madenschleim aufstieg, war schlimmer, als der von faulen
Eiern.
Inzwischen
hatte sich das Gerippe wieder zusammen gesetzt und stakste nun, nach seinen
Schädel suchend, kopflos durch den Keller.
„Und was
jetzt?“, rief Tim aufgeregt.
Suchend sah
sich Marc um und entdeckte endlich eine Türe.
„Los, da
hinaus. Wir müssen nach oben, hinauf zu dem Zimmer mit dem unheimlichen
Fenster!“
Auch diese
Tür war aus Holz, sah aber im Gegensatz zu der andern Türe noch sehr stabil
aus. Doch als Tim zum Griff hin leuchtete, sahen beide sofort, dass sie ein
Problem hatten. Denn ein schwerer Eisenriegel, der mit einem großen
Vorhängeschloss gesichert war, hielt die Türe fest verschlossen und hinderte
sie daran, ihren geplanten Weg fortzusetzen.
Hinter ihren
Rücken ertönte ein lautes Knacksen, direkt gefolgt von einem höhnischen
Gelächter.
Geschockt
fuhren beide herum und sahen gerade noch, wie das Skelett seinen bleichen
Schädel auf seinen Schultern zu Recht drehte.
Marc hob den
Säbel und ging mit schlotternden Knien auf das Skelett zu, das ihn nur fragend
ansah und schließlich boshaft fauchte: „Du kannst mich nicht töten. Schon
vergessen? - ICH BIN SCHON LANGE TOT!“
Tim, der
reglos bei der Tür stehen geblieben war, schrie laut in das garstige und nicht
enden wollende Gelächter seines Untoten Großvaters hinein: „Er hat recht, es
bringt nichts, ihn in Stücke zu schlagen!“
Ungläubig
drehte sich Marc zu seinem Freund um und rief: „Sag mal, bist du jetzt
übergeschnappt? Du glaubst...“
Weiter kam
Marc nicht mehr, denn das Skelett war blitzschnell auf den Jungen zugesprungen,
als dieser sich nach Tim um gedreht hatte.
Mit
erbarmungslosem, eisigem Griff packte es Marcs rechtes Handgelenk, so dass
dieser vor Schmerzen laut aufheulte und geschockt den Säbel fallen ließ.
Das Gerippe
warf seinen Kopf in den Nacken, lachte boshaft und irre vor sich hin und
schrie: „Und jetzt, mein Junge, wird es Zeit ein Bad zu nehmen. Die Maden werden
sich freuen über dein saftiges Fleisch!“
Brutal
zerrte das Skelett den Jungen zu dem Sarg hinüber.
Tim stand
noch immer starr vor Angst bei der verschlossenen Tür, als plötzlich und
unerwartet zum zweiten Mal ein unheimliches, lautes Dröhnen erklang, welches
das Kellergewölbe erzittern lies.
Sofort ließ
das Skelett Marc los, der gleich seine Hände schützend auf seine Ohren legte.
Instinktiv rannte er fast blind auf Tim zu und dann sahen sie, wie dem Skelett
die Zähne aus den Kiefern sprangen und wie Geschosse durch den Keller zischten.
Dann, wie
schon beim ersten Mal, ließ das Dröhnen nach und verstummte schließlich ganz.
Tim
leuchtete zum Sarg hinüber, vor dem sich das Skelett jetzt hingekniet hatte.
Noch immer
schlotternd vor Angst hauchte Marc: „Was hat es nur vor?“
„Sieht so
aus, als ob es seine Zähne zusammen sucht.“, sagte Tim, dessen Stimme sich fast
wie die eines Roboters anhörte.
Im Schein
der Taschenlampe konnten sie jetzt sehen, wie sich das Gerippe gegen den Sarg stemmte
und diesen einfach zur Seite schob. Sekunden später blinkte ein silberner
Gegenstand in dessen Knochenhänden auf.
„Ein
Schlüssel.“, rief Tim überrascht und Marc zischte: „Los, komm schnell von der
Tür weg. Wir wollen unseren Freund nicht im Wege stehen, wenn er diese Tür für
uns öffnet!“
Rasch traten
sie beiseite und tatsächlich eilte das Skelett ohne sie weiter zu beachten zu
der verschlossenen Kellertür, öffnete geschickt das Schloss und entschwand dann
ihren Blicken.
„Los,
schnapp dir den Säbel und dann nichts wie hinterher!“, rief Marc, doch Tim
zögerte.
„Du hattest
schon mal bessere Ideen gehabt!“
„Das mag
schon sein, aber ich glaube, wir erleben gerade den Fluch, der über deinem
Urgroßvater lastet!“, entgegnete ihm Marc ernsthaft.
„Aber was
genau soll das sein?“, wollte Tim wissen, der jetzt den Säbel aufgehoben hatte.
„Ganz
einfach. Diesen Lärm verursacht der tote Säbelmönch, wahrscheinlich mit einer
Glocke aus seinem Kloster, in dem er mal gelebt hat.
Jetzt ist
diese Glocke eine Totenglocke und dient dazu, deinen Untoten Urgroßvater
niemals zur Ruhe kommen zu lassen. Er soll dadurch an seine grausige Tat
erinnert werden und ihn letztendlich immer wieder dazu bringen, sich aufs Neue
umzubringen. Doch das wird er niemals schaffen, da er ja schon tot ist. Und
genau das ist der Fluch!“
Tim sah
seinen Freund fassungslos an, begann dann hysterisch zu kichern und sagte
dabei: „Du meinst, dass er sich immer wieder aufhängt? Das ist es doch, was du
mir sagen willst, oder?“
„So ist es,
Tim. Mensch, denke doch mal nach, so muss es einfach sein. Jede Wette, dass er
jetzt oben in dem Raum mit dem unheimlichen Fenster ist und auf den Stuhl
steigt, sich die Schlinge um seinen Knochenhals legt und dann...“
„Ok, das
reicht. So könnte es gewesen sein. Aber etwas musst du mir noch erklären. Warum
hat sich der Säbelmönch seinen Säbel nicht einfach wieder geholt. Ich meine, er
wird doch gewusst haben, dass dieser unter den Maden im Sarg versteckt lag!“
„Kein Plan,
ist jetzt auch nicht so wichtig. Meine Uhr sagt mir jedenfalls, dass wir nur
noch zehn Minuten bis Mitternacht Zeit haben. Also sollten wir schnell nach
oben gehen und diesen Säbel bei seinem Besitzer abliefern!“
Der Gedanke,
dem geheimnisvollen Säbelmönch aus nächster Nähe gegenüber treten zu müssen,
ließ beiden einen eisigen Schauer über ihre Rücken laufen. Doch hatten sie
keine andere Wahl.
Tim betrat
als erster die dunklen und ziemlich glitschigen Steinstufen hinter der
geöffneten Tür.
Dabei hielt
er schlagbereit den Säbel über seinen Kopf, während Marc von hinten die steilen
Stufen ausleuchtete.
Als sie im
Erdgeschoss angelangt waren, machten sie sich erst gar nicht die Mühe, in die
zum Teil ohne Türen ausgestatteten Räume hinein zu schauen. Außer Schutt und
Müll würden sie dort nichts finden.
Zielstrebig
wendeten sie sich einer Holztreppe zu, die alles andere als sicher aussah.
Teilweise fehlten Stufen, ganz zu schweigen von dem brüchigen Geländer, das
auch nur noch stellenweise vorhanden war.
„Los weiter.
Wir müssen da hoch.“, drängelte Marc zur Eile.
Tim nahm
jetzt den Säbel und klopfte jede Stufe vorsichtig ab, bevor er sie betrat. Die
Stufen knarrten gefährlich und sie kamen nur langsam voran. Endlich hatten sie
es bis in den dritten Stock geschafft und sahen vor sich, fast zum Greifen nah,
eine einzige Tür, die nur angelehnt war.
Doch der
Holzboden vor dieser Tür war nicht mehr vorhanden. An dieser Stelle gähnte ein
riesiges, tiefes Loch.
„Verdammter
Mist.“, entfuhr es Tim, „Wie sollen wir den jetzt da rüber kommen. Das sind
gute drei Meter bis zu der Tür. Soweit kann ich bestimmt nicht springen. Erst
recht nicht, wenn es da mindestens zehn Meter in die Tiefe geht!“
Bevor Marc
antworten konnte, wurde die Tür ruckartig von innen aus den Angeln gerissen und
mit einer unglaublichen Wucht in die Tiefe des Loches geworfen.
Es hörte
sich an, als würde das Haus teilweise in sich zusammen brechen. Ein eisiger
Luftzug erfasste die Jungen, die jetzt ungläubig auf die riesige Gestalt
starrten, die völlig in eine schwarze Kutte gekleidet war.
Für einen
kurzen Augenblick, der sich scheinbar unendlich in die Länge zog, herrschte
Totenstille.
Endlich kam
wieder Bewegung in den Säbelmönch, der mit seiner Figur den ganzen Türrahmen
ausfüllte. Er gähnte herzhaft und sagte in einem schläfrigen Tonfall: „Ihr
beide habt es tatsächlich geschafft. Endlich werde ich schlafen können, für
immer und ewig. Los Tim, wirf mir meinen Säbel herüber!“
Tim zögerte
und flüsterte kaum hörbar: „Ich habe Angst, dass ich dich treffe und dich
verletzen könnte und...“
Marc unterbrach
ihn mit einem heftigen Stoß in die Rippen und schrie: „Man, Junge, der da ist
genauso tot wie dein Urgroßvater. Es ist nur noch eine Minute bis Mitternacht,
also wirf das verdammte Ding zu ihm rüber!“
Endlich warf
Tim den Säbel, der sirrend die Luft über dem Abgrund vor ihnen zu zerschneiden
schien.
Aus der
Kutte des Mönchs zuckte blitzschnell eine bleiche, knochige Hand heraus, die
geschickt den Säbel aus der Luft pflückte, bevor dieser irgendwo einschlagen
konnte.
Abrupt
wandte der Mönch sich um und gab den Blick in den Raum hinter sich frei, der
durch helles Mondlicht unnatürlich hell erleuchtet war.
Deutlich war
der Stuhl zu sehen, auf dem das Skelett mit einer Schlinge um den Hals auf
seinen allerletzten Selbstmord zu warten schien.
Fast gleichzeitig
wurden Tim und Marc von einer plötzlichen Müdigkeit erfasst, die durch das
erneute herzhafte Gähnen des Mönches nur noch verstärkt wurde.
Schemenhaft
sahen sie durch ihre schläfrigen Augen, wie der Mönch gegen den Stuhl trat und
pünktlich zum mitternächtlichen Glockenschlag der nahen Kirchturmuhr baumelte
das Skelett an dem Seil, bevor es Sekunden später für immer zu feinen
Knochenstaub zerfiel...
...Gong, Gong...
Tim warf
sich in seinem Bett herum, doch das Geräusch, das ihn aufgeweckt hatte, dröhnte
erbarmungslos weiter in seinen Ohren. - Gong,
Gong, Gong...
Schließlich
setzte er sich entnervt auf und schrie: „Verdammte Scheiße, diese Glocke bringt
mich noch mal ins Grab!“
Erbost
schaltete er sein Nachtlicht an und schaute zu Marc hinunter, der vor seinem
Bett auf der Gästematratze lag und ihn mit geöffneten Augen benommen an
starrte.
„Bist du
auch von diesem Glockenlärm wach geworden?“, wollte Tim wissen, der jetzt seine
Nase rümpfte.
„Nein,
eigentlich hat mich dein Geschrei auf geweckt. Aber sag mal, was stinkt denn
hier so eklig. Hast du Blähungen?“
„Das wollte
ich dich auch grade fragen, bäh - wie faule Eier nur noch schlimmer.“, gab ihm
Tim zur Antwort. Dann sprang er aus seinem Bett heraus und stürzte zum Fenster.
Schnell riss er die Vorhänge beiseite und öffnete das Fenster.
Marc war nun
ebenfalls zum Fenster gestürzt und hielt seinen Kopf in die frische Luft
hinaus. Dabei keuchte er: „Ich glaub, ich muss gleich kotzen und glaub mir, ich
habe nicht gefurzt.“
„Ich auch
nicht, verdammt.“, maulte Tim.
„Was zum
Teufel...“
„Was ist
denn jetzt schon wieder los!“, fauchte Tim etwas ungehalten, der es nicht
leiden konnte, wenn ihm jemand einen Furz unterschieben wollte.
„Warum haben
wir eigentlich unsere Anziehsachen an und nicht unsere Schlafanzüge?“, fragte
Marc fassungslos. „Ich meine, wir haben doch eben noch in unseren Betten
gelegen und geschlafen.“
Ungläubig
sah er an sich hinunter und sah, wie aus einer Lasche seiner total verdreckten
Turnschuhe eine fette, bleiche Made heraus gekrochen kam.
Der ersten
folgte eine zweite noch viel fettere Made und als er die dritte auf seinem Arm
erblickte, packte er nach Tim, der immer noch seinen Kopf aus dem Fenster hielt
und riss ihn zu sich herum.
Doch Tim
hatte kein Gesicht mehr. Dort wo gerade noch seine Augen gewesen waren, krochen
jetzt schleimige Maden aus seinen leeren Augenhöhlen heraus.
Marc fing an
zu schreien und plärrte sich vor Angst die Seele aus dem Leib...
...Er schrie
auch noch, als er längst aus seinem Albtraum erwacht war und zitternd auf der
Gästematratze saß und fassungslos zu Tim hinauf sah, der ebenfalls schreiend
erwacht war und kreidebleich in seinem Bett saß.
Endlich
fasste sich Marc wieder und flüsterte zitternd: „Man, Tim, ich habe gerade von
dir geträumt und glaub mir, du hattest kein Gesicht mehr. Nur lauter Maden
waren da!“
„Unglaublich,
dasselbe habe ich bei dir gesehen. Nur kamen sie bei dir aus deinen Ohren
heraus geschleimt.“, entgegnete Tim entgeistert, der wie sein Freund
klatschnass geschwitzt war.
Plötzlich
erinnerte sich Marc daran, dass sie sich, bevor sie eingeschlafen waren, noch
gegenseitig Gruselgeschichten erzählt hatten.
Eine davon
hatte Tim erzählt, die wie er behauptete, sein Großvater ihm höchstpersönlich
auf seinem Sterbebett erzählt hatte.
Es war eine
Geschichte von einem Fenster, hinter dessen gelblichen Fensterscheiben sich
unheimliche Dinge abgespielt hatten. Und dieses Fenster, so hatte sein Freund
erzählt, befand sich genau gegenüber in dem alten, halb zerfallenem Haus auf
der anderen Straßenseite.
Marc
schluckte kurz und fragte dann mit brüchiger Stimme: „Dieses Fenster, von dem
du in deiner Geschichte erzählt hast, Tim, das gibt es doch nicht wirklich,
oder?“
„Natürlich
nicht.“, sagte Tim irgendwie erleichtert darüber, dass sie nur Albträume von
ihren eigenen Gruselgeschichten bekommen hatten. Er sprang aus seinem Bett und
rief: „Na komm schon Marc, ich werde dir zeigen, dass es dort drüben nur alte,
kaputte Fenster gibt!“
Mit diesen
Worten öffnete er seine Vorhänge und dann das Fenster.
Beide
starrten angestrengt in die stockdunkle Nacht hinaus, hinüber zu dem alten
Mörderhaus, das nur schemenhaft zu erkennen war.
Doch
plötzlich erhellte ein gleißendes, gelbliches Licht die Dunkelheit...
So, doch
jetzt liebe Jungen und Mädchen, wird es Zeit schlafen zu gehen.
Wenn ihr
nicht alleine seid, umso besser.
Dann könnt
ihr euch ja noch ein paar Gruselgeschichten erzählen. Geschichten von
unheimlichen Türen, dunklen Kellergewölben oder von unheimlichen Fenstern, die
plötzlich und unerwartet in alten verlassenen Häusern zu leuchten beginnen.
Doch wenn
ihr alleine seid, solltet ihr jetzt nicht mehr aus dem Fenster schauen...
Gute Nacht,
Freunde, und angenehme Träume...
...wünschen
euch Marc und Moritz
Ende
© by Marc Dean & Moritz W. Haus 2009/2020
Diese Geschichte ist
2013 in den gleichnamigen eBook Der Monster 3DS von Moritz W. Haus erschienen, in dem
noch weitere Gruselgeschichten für Kinder zu finden sind.
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